1910 - 1930: Gründerjahre

Am 30.April 1910 fanden sich sportbegeisterte junge Männer im Lokal „Zur Krone“ von Wilhelm Antes in Worms-Pfiffligheim, Alzeyer Str. 198 - heute Papier Klingler - zusammen, um den Sportverein „Normannia“ zu gründen. Aus ihrer Mitte wählten sie August Schlipp zum 1. Vorsitzenden. Philipp Krämer übernahm als Spielführer die damals in einer Mannschaft zusammengeführten Spieler. Aller Anfang ist schwer, so konnte man hier mit Recht sagen, denn mit dem Gründungswillen allein war es nicht getan. Nach schwierigen Verhandlungen überließ uns die Stadtverwaltung Worms den südlich am Leiselheimer Damm gelegenen Platz ( heutiger Fischweiher bzw. Eisbahn), den der Verein bis 1918 benutzen konnte. Es war keine ideale Platzanlage, jedoch genügte sie den bescheidenen Ansprüchen, die man damals stellte. Die Platzmaße reichten nicht aus. Die Grenze an der Längsseite des Spielfeldes musste bis an die dort vorbeifließende Pfrimm herangelegt werden. Wenn der Ball in den Pfrimmbach flog, was sehr oft geschah, geriet die Zuschauerkulisse, die dort nur aus Mitgliedern bestand, in Bewegung, um das Wertobjekt, „den Fußball“, mit Stangen und Netzen wieder aus der Pfrimm zu holen. Andere Zuschauer, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Spielfeldes eingefunden hatten, waren jeweils nur solange vorhanden, bis es ans Sammeln ging. Den geringen Einnahmen an Mitgliedsbeiträgen, die 10 und 20 Pfennig im Monat betrugen und auch vorerst die einzigen Einnahmequellen blieben, standen weit höhere Ausgaben gegenüber. Für den von der Stadtverwaltung überlassenen Platz mussten wir eine Jahresmiete von 100,00 RM bezahlen.

Für die damaligen Verhältnisse des Vereins immerhin eine beträchtliche Summe. Bei der Geldknappheit blieb es nicht aus, daß der jährliche Pachtzins von 100,00 RM an die Stadtverwaltung nicht immer rechtzeitig gezahlt werden konnte.

Die damaligen Vorsitzenden

  • im Jahre 1910 August Schlipp

  • im Jahre 1911 Hermann Noske

  • im Jahre 1912-1913 Georg Helf

  • im Jahre 1914-1918 Johann Aumann

wußten davon ein Lied zu singen, wie schwer es war, mit diesen Geldschwierigkeiten fertig zu werden. All diese Männer, die für die termingerechte Einhaltung der eingegangenen Pachtzinsverpflichtungen verantwortlich gemacht wurden, sahen sich des öfteren den Vertretern der Stadtverwaltung gegenüber, die mit Platzbeschlagnahme und mit Beitreibungsmaßnahmen drohten. Nur der Opferbereitschaft der meist aktiven Mitglieder war es zu verdanken, daß diese Androhungen nicht Wirklichkeit wurden. Die Spielerausrüstung konnte nur auf dem Wege der Kreditgewährung beschafft werden. Das Sporthaus Langfelder in Worms war dazu bereit, gegen wöchentliche Raten von 20 und 30 Pfennig (!) die notwendigen Stücke der Sportkleidung zu liefern.

Herr Langfelder machte sich selbst die Mühe, am Wochenende bei den einzelnen Schuldnern die Pfennigbeträge einzukassieren. Von einem systematischen Training, so, wie man es heute kennt, konnte natürlich keine Rede sein. Man wußte schon mit dem Ball umzugehen, auch wie man schießt und welche Vorteile zum Erfolg führen könnten, aber mehr nicht.

Um so mehr mußte hohe Einsatzfreudigkeit und hervorragender Kameradschaftsgeist die mangelnde Technik überwinden, was dann auch in der Folgezeit manchen schönen Sieg erbrachte. Das erste Spiel gegen den Verein für Bewegungsspieler in Worms ging knapp verloren, trotzdem durfte man mit den gezeigten Leistungen zufrieden sein. Von einem geregelten Spielbetrieb konnte damals noch keine Rede sein, man spielte wild, bevor man sich einem Fußballverband anschloß. Viele Vereine in der gleichen Situation beschäftigten ihre Mannschaften mit Pokalspielen, die als 6er-Wettkämpfe ausgetragen wurden. An diesen Spielen hatte unsere Normannia regelmäßig teilgenommen und dabei beachtliche Erfolge erzielt. Erwähnenswert ist das Turnier in Alzey im Jahre 1911, bei welchem die Normannia unter besonders starker Konkurrenz den 3.Preis errang. Für die dabei gezeigte gute Leistung wurde der Anerkennung unserer Mannschaft die höchste Auszeichnung der „Goldene Siegerkranz“ überreicht.


So reihte sich in den folgenden Jahren mancher Sieg an den anderen und brachte neuen Geist und neuen Mut in das sportliche Leben der Normannia. Den Siegen in Freundschaftsspielen, u.a. gegen die Regimentsmannschaft vom Infanterieregiment 115, Infanterieregiment 118 und der Unteroffiziersschule Biebrich, schlossen sich viele namhafte Gegner an. Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde ein großer Teil der aktiven Spieler zum Kriegsdienst eingezogen, trotzdem konnte der Spielbetrieb bis zum Jahre 1916 aufrecht erhalten werden.

Kurz nach Kriegsende wurde der Spielbetrieb im Jahre 1919 wieder aufgenommen. Die sportlichen Beziehungen zu den Nachbarvereinen waren bald wieder hergestellt. Mit W. Aumann, W. Löb, W. Munk, J. Best, V. Mehlmann, Hch. Mehlmann, K. Müller, F. Krämer, A. Ruppert, J. Raquet, Ph. Sommer und Hch. Weiß hatte man wieder eine gute Mannschaft zusammen, die sich in der Folgezeit noch wesentlich verstärken konnte. Unser vielseitiger Sportsmann und bekannte Rennfahrer W. Munk war wegen seiner Zähigkeit allgemein gefürchtet. Während die Spieler bei Auswärtsspielen die Bahn benutzten, fuhr Munk mit dem Fahrrad. Es war eine einmalige Leistung, als sich Munk an einem Sonntagvormittag im Straßenrennen „Rund um Rheinhessen“ die Meisterschaft holte und am späten Nachmittag in einem Spiel unserer Normannia mitwirkte. Der alte Platz am Leiselheimer Damm gelegen, entsprach nicht mehr den Ansprüchen, man mußte sich nach einem neuen Gelände umsehen. Schließlich gelang es einen umzäunten Schuttabladeplatz, der zum ehemaligen Gefangenenlager nördlich der Bahnlinie WormsAlzey, Gelände zwischen Bahnhof und Lutherbaumstraße, gehörte, nach langen schwierigen Verhandlungen mit der französischen Besatzungsbehörde zur Herrichtung für einen Sportplatz freizubekommen. Munk als Angehöriger einer Autoreparaturwerkstatt, die in dem früheren Gefangenenlager untergebracht war, erreichte es, dass uns täglich genügend Lastwagen zur Verfügung gestellt wurden, um die Schutthaufen zu beseitigen. Nach umfangreichen Planierungsarbeiten, die in zäher, freiwilliger Mitgliederhilfe geleistet wurden, konnte der Platz seiner Bestimmung übergeben werden.

Die Tore wurden, da damals Tornetze Luxus waren, seitlich, oben und hinten mit Bretter zugenagelt (siehe 1. Jugendbild). Es waren regelrechte Kisten. Ein Freundschaftsspiel gegen Phönix Ludwigshafen eröffnete den Reigen der vielen erfolgreichen Spiele unserer Mannschaft. Die in der Phönix Ludwigshafen weit über ihre Heimatstadt hinaus bekannten Spieler Geb. Weber, stellten sich in vorbildlicher Weise unserem Verein unentgeltlich zur Verfügung, um unsere Mannschaft mit Technik und Ballbehandlung weiter auszubilden. Anfang 1919 trat die Normannia dem Süddeutschen Fußballverband bei und wurde in die C-Klasse eingeteilt. Heinrich Hunsdorf hatte die Führung des Vereins übernommen. Aus seiner Zeit verdient ein einmaliges großes Ereignis besondere Erwähnung. Seiner Initiative war es zu danken, dass am 20.09.1919 der Verein ein Nachtsportfest, wohl als Erster in Deutschland, veranstalten konnte.

Dieses Fest fand auch seine Würdigung in der „Wormser Zeitung“ und „Wormser Volkszeitung“ und hat einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Bericht der „Wormser Zeitung“ vom 23.09.1919: Der Sportverein „Normannia WormsPfiffligheim“ veranstaltete am verflossenen Samstag ein Nachtsportfest mit elektrischer Beleuchtung. Außerordentlich zahlreich hatten sich die Zuschauer eingefunden, um dem ersten Nachtsportfest, das Worms erlebt hat, beizuwohnen. Dass die anwesenden Zuschauer dieses Nachtsportfest erleben konnten, war ein Verdienst von W. Munk, der für die elektrische Beleuchtung sorgte. Mit Scheinwerfern, die von Lastwagen stammten und vom Gefangenenlager her mit Strom versorgt wurden, gelang es genügend Licht zu spenden, um den Ablauf der sportlichen Geschehnisse zu gewährleisten. An diesem Nachtsportfest nahmen Gäste der französischen und deutschen Behörde teil. Die in allen Teilen gelungene Veranstaltung war für die Beteiligten ein einmaliges Erlebnis.



Doch die Freude an dem neuen Platz dauerte nicht allzulange. Einige Wochen nach dem unvergesslichen Nachtsportfest, wurde der Platz von den Franzosen für ihre eigenen sportlichen Zwecke beschlagnahmt. Da ein anderer Platz nicht beschafft werden konnte, blieb kein anderer Ausweg, als durch neue Verhandlungen mit der französischen Behörde die Mitbenutzung des Platzes anzustreben. Dies wurde auch erreicht, aber man spürte doch einiges Unbehagen bei dem Hinweis, daß man den Platz nur benutzen dürfe, wenn er nicht von der Besatzungsbehörde für eigene Zwecke benötigt wird. Die Besatzungsbehörde, die nach der Beschlagnahme am Platzeingangstor ein Schloß anbringen ließ, zwang den Verein, vor jedem Spiel das genehmigt werden mußte, den Schlüssel bei den Franzosen abzuholen. Unter diesen Umständen konnte ein geregelter Spielbetrieb nicht aufgenommen werden. Ende 1919 legte Heinrich Hunsdorf sein Amt als 1.Vorsitzender nieder. Ihm folgte Wilhelm Moll, der dieses Amt bis zum Jahre 1923 inne hatte. Anfang 1920 kehrte unser Sportkamerad Johann Schmahl aus der Gefangenschaft zurück. Mit seiner Kampfkraft war er eine wesentliche Verstärkung für unsere Mannschaft. Als Spielführer oblag ihm auch die Verantwortung für die Einhaltung, der von den Franzosen gegebenen Anordnung , den Platz nach jedem Spiel in einen ordentlichen Zustand zu bringen und den Schlüssel zum Eingangstor an die Franzosen wieder zurückzugeben. Doch eines Tages war das Tor verschwunden, man fand es später zertrümmert außerhalb des Platzes wieder. Die Folge war, daß unser Spielführer Schmahl einige Stunden in der Arrestzelle bei den Franzosen verbringe mußte.

Zwischenzeitlich hatte 1923 Johann Schmahl den Vorsitz des Vereins übernommen und Wilhelm Moll als Vorsitzenden abgelöst. Schmahl hatte das Amt des 1. Vorsitzenden bis 1945 inne. Wieder einmal bedurfte die Platzfrage einer neuen Lösung. Das Gelände Gefangenenlager, einschließlich unseres dort liegenden Sportplatzes wurde seiner früheren Bestimmung übergeben. Landwirt Ph. Obenauer überließ uns seinen vor Leiselheim liegenden Acker, er lag hinter dem Bauernhof Obenauer - heute Mehlmann - in nördlicher Richtung (Pfrimm), den wir notgedrungen für unsere Zwecke zu einem Sportplatz gestalteten. Schon nach 1-jähriger Benutzung hieß es wieder einmal umziehen.

Dieses Mal war es die Stadt Worms, die uns in der heutigen Siedlung ausreichendes Gelände überließ, auf dem wir ein Spielfeld schufen, das bis zum Jahre 1937 benutzt werden konnte. In der Verbandsrunde 1924/25, die wir in der A-Klasse bestritten, konnten wir die Meisterschaft erringen. Trotzdem reichte es nicht zum Aufstieg in die nächsthöhere Klasse, da wir in der Aufstiegsrunde nicht den Platz zum Aufstieg erreichten. Die Verbandsrunde 1925/26 führte uns mit den Vereinen Hochheim, Horchheim, Pfeddersheim, Alzey, Neuhausen und Herrnsheim in der A-Klasse zusammen. Hier erreichten wir den 4. Platz. Im Jahre 1926 wurde eine Neueinteilung der A-Klasse vorgenommen. In dieser Klasse befanden sich Pfiffligheim, Horchheim, Herrnsheim, Alzey, Abenheim, Gimbsheim und Weinsheim. Am Schluß der Verbandsrunde hatte unsere Mannschaft die Meisterschaft mit 4 Punkten Vorsprung errungen. In den folgenden Aufstiegsspielen gegen Raunheim, Griesheim und Geisenheim blieben wir erfolgreich und stiegen in die Kreisliga auf.


weiter zu "1930 - 1950: Aufstieg im Wormser Fussball und Kriegsjahre"